Eine Freundin kam mich
besuchen, sie trug ein pinkfarbenes Plastikband am linken Handgelenk
und erzählte mir, sie sei kürzlich auf einem Seminar gewesen, das
Armband sei ein Psychotrick.
Immer, wenn
man über jemanden hinterrücks herzieht, vulgo lästert, oder wenn
man Anwesende ärgert oder beleidigt, muß das Band den Arm wechseln.
Hilfe zur Selbsterziehung, das Mundwerk legt ja schon mal los und
spielt die gängigen CDs sozialer Interaktion ab, ohne den Verstand
um Rat zu fragen, die Vernunft wird gar nicht erst geweckt. Die Kunst
ist, möglichst lange einseitig zu bleiben. Die Gedanken sind dabei
natürlich frei, irgendwo muß man unbehelligt rumtoben dürfen, es
geht hier ums verbale. Da ich nicht gerne was am Arm trage, aber
neugierig geworden war, nahm ich einen flachen Stein mit Kreuzmuster
(Chiastolith), den mir ein Musikerfreund vor einigen Monaten
geschenkt hatte, und steckte ihn mir in die linke Hosentasche. Die
Wirkung ist verblüffend, ich kann nicht behaupten, nachdenklicher in
meinen Äußerungen zu sein, aber es gelingt mir, im entscheidenden
Moment die Klappe zu halten; der Stein soll in der linken Hosentasche
bleiben, auch der Heilige ist nicht frei von Ehrgeiz. Es war aber ein
Fehler, der Familie beim Abendessen davon zu erzählen. Meine Frau
meinte trocken, es täte mir sicher gut, mein Mundwerk unter
Kontrolle zu halten, mein Sohn erkannte sofort, welche Blöße ich
mir mit dem Vorhaben gebe. Dialog: Geh bitte ins Bett. (Weder wird
der Blick vom Buch gehoben, noch eine andere Reaktion auf meine
Anwesenheit gezeigt) Geh ins Bett! Warte....
Geh ins
Bett!!
Der
Blick hebt sich, breites Grinsen: Steck
den Stein in die andere Hosentasche.
Ich erkläre den Zusammenhang zwischen Erziehungsnotwendigkeit und
väterlicher Selbstbeherrschung.
Als
er endlich im Bett liegt, trage ich den Stein immer noch links und
bin von Stolz erfüllt. Sysiphos hatte gewiß einen Lästerstein in
der Hosentasche, die Nachwelt hat die Sache nur etwas übertrieben,
um seine Anstrengungen zu verdeutlichen.