Dienstag, 24. Dezember 2013

RAMADAMA

Der Ausdruck „Ramadama“ stammt aus München, aus der Nachkriegszeit, heißt anderswo „räumen tun wir“ und ist selbsterklärend. Bei mir zuhause hat er als Fremdwort die zusätzliche Bedeutung „Fröhliche Weihnachten“. Meine Frau machte unserem Sohn Dampf, damit er für die Festtage sein Zimmer aufräumt. Papas Zimmer sei viel unordentlicher, und der müsse nicht aufräumen vor Weihnachten, meinte Tim, Volltreffer. Sofort wechselte ich vom Festfaulpelz in den Philosophenmodus,der Stoizismus ging der Erfindung des Blitzableiters lang voraus, und ich hänge am Althergebrachten. Zugegeben, ich bin ein schlechtes Vorbild, das in seinem Zimmer durch den abendlichen Wechsel von Klapptisch auf Klappbett ein Leben als Dauercamper führt.
Dazu kommt, daß ich zu dumm bin, um meine Hausarbeit zügig zu verrichten: Ich brauche einfach zu lang, um die Schachaufgaben in den Pausen zu lösen. Und das Umsortieren der Bücher läßt jede Schnecke gähnen, weil ich das Lesen nicht lassen kann. Am Ende von Ramadama sitzen wir vor dem wirklich gelungenen Weihnachtsgebüsch, der Baum ist dieses Jahr deutlich kleiner ausgefallen, und beginnen, das Fest zu genießen. In diesem Sinne...

Samstag, 21. Dezember 2013

Die Farbe der Liebe

Rot ist die Farbe der Liebe. Und vom Weihnachtsmann. Und vom FC Bayern München.
Steckt denn hinter allem die Cola-Industrie? Dem Fußball mangelt es nicht an Geld, und die vertragliche Regelung des bezahlten Urlaubs beim Weihnachtsmann ist auch nicht von Pappe. Vielleicht ist er ja als Lehrer in der Baumschule verbeamtet. Wie ich auf solche Ideen komme? Mein Sohn demonstriert mir täglich, daß sich Weihnachtslieder mit derselben Inbrunst und Lautstärke vortragen lassen wie die Gesänge der Fans beim Heimspiel ihres Vereins. Da muß doch ein Zusammenhang bestehen.

Mittwoch, 11. Dezember 2013

NAVIGATION

Die Freitreppe, die zur Rezeption im Schwimmbad führt, ist lang und hoch. Sind meine Beine lahm und schwer, fällt es mir auch auf allen Vieren, also mit Krücken, schwer, voran zu kommen. Ich wurde schwach, und beschloß, den Zugang für Behinderte zu benutzen, der irgendwo im Gebäude versteckt ist. Nach dem Schwimmen ging ich zur Kasse und fragte nach dem Weg. Die junge Frau, die Dienst hatte, sie kennen mich alle, deutete zur Seite, dort würde ich am Ende eines Ganges hinter einer Glastür gleich rechts um die Ecke den Aufzug finden. Es sei nicht zu verfehlen, ich müßte nur an dem großen Weihnachtsbaum vorbei, dahinter sei der Gang. Freundlich bedankte ich mich, hielt einen Moment inne, und fragte: Und was mache ich an Ostern? Ein zweifelnder Blick aus großen Augen, dann ein helles Lachen: Sie wird mir einen großen Osterhasen hinsetzen, damit ich mich nicht verlaufe. Ohne Probleme fand ich den Ausgang, glücklich, daß mein Scherz angekommen war. Das ist nicht immer der Fall.

Samstag, 7. Dezember 2013

FEST DES FRIEDENS

Blutrünstig geht es in Bayern zu, genauer in Oberammergau, wenn Verrat und Hinrichtung
als ein Kernstück unseres Glaubens feierlich nachvollzogen werden. Die Welt scheint sich am christlichen Ideal zu orientieren, also alles in Butter?
Was die Butter angeht, gibt es auch friedliches Gedenken. Jesus wurde in einem Stall geboren, der aber keine zugige Holzbaracke gewesen sein muß. Viele Darstellungen zeigen eine Felsengrotte. Sollte das ein aufgelassenes Bergwerk gewesen sein, tief genug, um sich vor den Römern und ihren Spießgesellen zu verstecken? Im Saarland ist diese Sicht der Dinge verbreitet, das Bergwerk eine feste Größe. Deswegen ziehen wir der Dornenkrone den Christstollen vor. Alles in Butter.

Freitag, 29. November 2013

HINGABE

Ein Fanatiker soll ich sein, hat ein Bekannter behauptet. Dabei habe ich gar keine Zeit, mich mit Fanatismus zu beschäftigen. Jede freie Minute sitze ich friedlich am Schachbrett.
Erkenne Dich selbst!

Samstag, 4. Mai 2013

Buch-Haltung

, ich könnte genau dies zum Prinzip meines Lebens machen: bei großen Ereignissen nicht dabei sein.

Wollte ich überhaupt jemand sein? Ja und nein. Ich drängte hin zum Veröffentlichen, wollte aber gar nicht in der Öffentlichkeit stehen. Ich war ein Einzelgänger, konnte mir nicht einmal vorstellen, in einem Betrieb mit vielen zusammen zu arbeiten. Einzelgänger mit der Sehnsucht nach der Gruppe, mit dem Durst nach Anerkennung. Wollte im Stillen für mich etwas produzieren, um dann nicht als Person, sondern mit dem Produkt an die Öffentlichkeit zu gehen und den Ruhm still zu genießen.

, am liebsten wäre er stiller Teilhaber seines eigenen Lebens.

Dieser Mensch, der ich bin, hat kein Konzept. Ich weiß nicht aus mir heraus, was ich will. Ich werde genau das werden, was sich am günstigsten anbietet zu dem Zeitpunkt, wo ich mich entscheiden muss.

Die Zitate stammen aus dem Buch: „Bloß keine Einzelheiten!“ von Rainer Petto, erschienen im März 2013. Es ist die Fortsetzung seiner Autobiographie „Ein Kind der fünfziger Jahre“.
Seit Februar 1982 lebe ich im Saarland, zuerst in Dudweiler, seit 1983 in Saarbrücken. In wenigen Jahren bin ich in die Musikszene hineingewachsen und habe nach und nach vom kulturellen Rest das eine oder andere Gerücht aufgeschnappt. Durch das Buch ist aus Geschichten Geschichte geworden, die Wurzeln in meiner Wahlheimat haben sich tiefer gegraben. Das ist der eine Teil des Buches, erzähltes Leben und Erleben mitten zwischen Zeitgenossen, die selbst dann bereichern, wenn sie auf die Nerven gehen.
Die vier Zitate am Anfang deuten den Teil des Buches an, der mich so gepackt hat, daß ich es in einem Rutsch gelesen habe: Rainer hat für mich geschrieben. Ob er das vorhatte, sei dahingestellt, es hat sich so ergeben. Es ist seine Haltung, die er zu Menschen, Gedanken und Ereignissen einnimmt, die aus jedem Kapitel spricht. Und seine Haltung zu sich selbst.
Die erzählte Wirklichkeit, die Sicht der Wirklichkeit, und das Nachdenken über die Sicht der Wirklichkeit, die Fähigkeit zum inneren Dialog. Und das mit Humor.
Man muß nicht wissen, wo Saarbrücken liegt, um das Buch zu lieben.
Erschienen ist es bei epubli, man kann es in jeder Buchhandlung bestellen, die Exemplare werden nach Bedarf gedruckt und geliefert.

Mittwoch, 1. Mai 2013

Büchsenlicht

Man sollte Menschen nicht immer gleich für dumm halten, manche haben einfach nur öfter Pech beim Denken.“
Der Spruch hat mir auf Anhieb gut gefallen, meine Selbstachtung profitiert. In Diskussionen
wie auch am Schachbrett bin ich zeitweise vom Pech verfolgt, nehme es jetzt aber als atypisches Phänomen von singulärem Charakter wahr.
Ein Blick ins Küchenregal brachte mich auf die Idee, einen Vorrat an guten Ideen für Notzeiten anzulegen, übersichtlich sortiert und beschriftet wie Konservendosen, den Öffner stets griffbereit daneben. In politischen Debatten, einem intellektuellen Minenfeld, hilft die Dose „junge Erbsen mit Möhren“: Diplomatisches sowohl-als-auch, für jeden Geschmack erträglich, mit der Option, es könnte noch was Festes zum beißen kommen.
Früchtecocktail, gezuckert“: Ein paar Nettigkeiten in länglicher Büchse, damit es nicht zu plump wirkt. Fürs Schach eine Dose Billiggulasch mit abgelaufenem Verfallsdatum: Kein Wunder, daß ich verloren habe, so krank, wie ich mich fühle. Es ist in der Tat ausgeschlossen, einen gesunden Gegner mit ungetrübter Freude über die eigene Leistung zu besiegen. Und dann noch eine besonders große Dose, wenn auch verdächtig leicht, unbeschriftet, die ich mit den Worten Ich-hab-da-eine-Idee-muß-aber-nochmal-drüber-nachdenken vorzeigen kann. Wilhelm Busch schrieb dazu: „Und da das ganze ein Symbol, kann es nicht schaden, wenn es hohl.“
So kann die Erleuchtung im Notfall aus der Büchse kommen.

Dienstag, 30. April 2013

MAGISCH


Ab und an mal zaubern können, als Kinder haben wir es uns gewünscht, als Erwachsene hätten wir es manchmal bitter nötig. Verblüffende Erkenntnis: Ich scheine es zu können.
Wenn ich das Bad betrete, brennt fast immer das Licht. Beim Verlassen schalte ich es aus. Eine Frage an den Rest der Familie ergibt, niemand hat das Licht brennen lassen. Es bleibt nur eine Erklärung: Der Schalter ist kaputt, das Licht läßt sich nicht ausschalten, nur meinen magischen Künstlerhänden gelingt das ganz lässig.

Sonntag, 21. April 2013

Der Ausweg

Selbst ein Nervtöter wie meine MS-Erkrankung hat skurrile Seiten, die bei mir für Heiterkeit sorgen und so erträglich bleiben. Eines der ältesten Symptome ist eine Lähmung von linker Hand und Arm, die sich unvermittelt einstellt und mich  zum einarmigen Banditen macht. Nach einer Weile verschwindet sie wieder, es bleibt höchstens mal ein leichtes Kribbeln in den Fingern. Mit dem Saxophon auf der Bühne habe ich es überstanden, aber neulich beim Schachabend …
Ich stand vom Brett auf und ging zur Toilette, als die Hand in den Streik trat. In der Kabine versuchte ich, mich anzuziehen, vergebens, dem Knopf an der Jeans war einarmig nicht beizukommen. Ich saß auf dem Deckel, wartete, hörte andere Männer vor der Kabinentür und dachte, ein Kneipenklo nach 22.00Uhr ist ein ungeeigneter Ort, um jemanden um Hilfe beim Hosenknopf zu bitten. Das Problem löste sich irgendwann von selbst, ich kehrte in die Zivilisation zurück.
In meinem Leben gibt es zwei Bereiche, in denen der Frauenanteil deutlich unter zehn Prozent liegt: Die Jazzmusik und das Schach. Glückspilz, der ich bin, habe ich faszinierende weibliche Wesen kennengelernt, die Charakter, Kopf und Aussehen so miteinander verbinden, daß ich keinen Schnaps mehr brauche, um das Leben zu genießen.
Gemeinsam ist ihnen ein Hauch von Melancholie in den Augen, der ihren Abstand von der Oberflächlichkeit ausdrückt. Eine davon, ich nenne sie gern „die weiße Dame“, war bei diesem Schachabend dabei. Ich erzählte, was ich erlebt hatte, sie meinte nur: Du hast doch dein Handy dabei, wenn das nochmal vorkommt, rufst du an und ich hole dich raus. Und wenn dann einer dazukommt und fragt: „Was macht ihr denn hier?“ Dann sagen wir:
Wir sind zum Schachspielen verabredet.“ Der Moment der Verblüffung sollte ausreichen, um in Ruhe das Weite zu suchen.

Für anja13

Samstag, 20. April 2013

25 Bahnen

Sport und Turnen füllt Gräber und Urnen“ (Der Bulle von Tölz)

Meine sportliche Karriere erreichte ihren Höhepunkt bereits in den frühen ´70er Jahren des finsteren 20.Jahrhunderts, ich war einen Sommer lang vom Rudersport besessen, trainierte bis zu fünfmal in der Woche und weiß seitdem, daß mir das Bedürfnis nach Konkurrenz und Wettkampf fehlt. Höre ich einen Startschuß oder die Worte „Auf die Plätze, fertig, los!“, sagt mir eine innere Stimme „Was soll der Blödsinn?“. Es ist die Stimme, die mir einflüstert, nach welchem Buch ich greifen soll und wo der Ausschaltknopf am Fernseher zu finden ist, den am Computer verschweigt sie mir hartnäckig. Und daß man Schachfiguren in eine Schachtel legen könnte, undenkbar.
Ich ruderte im Einer (ohne Steuermann), diese Disziplin müssen die Katholiken erfunden haben, der Blick ist endlos in die Vergangenheit gerichtet, und solange man den vorgeschriebenen Kurs einhält, darf man an einen Schutzengel glauben, der sich um die Zukunft kümmert, die direkt hinter dem krummen Rücken beginnt. Luther besaß ein Paddelboot, sonst hätte er die Geschichte nicht vorangebracht. Ich bin oft abseits der Strecke spazierengefahren, aus dem Boot gefallen, der Trainer hat mich als frei von Ehrgeiz abgeschrieben und nach der Winterpause war Schluß. Dabei bewege ich mich gern, Radeln, Wandern und heute noch das Schwimmen haben mich vor den Untiefen der Kneipenszene zuverlässig gerettet.
Wettkampf braucht Vergleichbarkeit. Deshalb wird beim Fußball im Fernsehen eine Statistik eingeblendet: Lahm ist am meisten gelaufen, klingt komisch, wird aber schon stimmen, wenn es da steht, deswegen ist er in der Nationalmannschaft der Kapitän. Beim Schach im Internet wird eine Computerevaluation gezeigt, die im präzisen Dezimalbruch angibt, ob es Schwarz oder Weiß demnächst an den Kragen geht. Spielzüge auf dem Rasen oder Stellungen auf den Quadraten beurteilen? Das war einmal.
In der Freizeit hin und her zu schwimmen, unvergleichlich zu sein, gilt als fragwürdig.
Wer von 1000 m spricht, setzt eine Marke. Ich schwimme, so lange es mir gut tut, das hängt von der Tagesform ab und riecht nach Angeberei durch Verniedlichung. Aber dahinter steht eine Philosophie der Bewegung: Die Rolltreppe in Fahrtrichtung gelaufen ist der Inbegriff der westlichen Zivilisation, schneller und höher, dem Ende entgegen, das Versprechen, daß die Seife beim Händewaschen dicker wird und sich Leistung immer lohnt. Laufen wir in die Gegenrichtung, sind wir bei Buddha, der Weg ist das Ziel.
An manchen Tagen ist es im Schwimmbad so voll, daß man seinen Weg sorgfältig suchen muß. Gefürchtet sind die gemütlich plaudernden Kreisschwimmer, in boshafter Stimmung nennen wir sie die U-Bootgefahr, der es auszuweichen gilt. Sowas von unsportlich!
Aber bislang ist es mir immer noch rechtzeitig eingefallen: Sie sind von meiner Sippe.

Freitag, 19. April 2013

Eine Lanze für Angela und Dieter

Heute gelesen: Angela Merkel soll nicht mehr auf der Time-Liste der 100 einflußreichsten Menschen stehen.Vermutlich hat sie selbst  angerufen und gesagt, sie sollen sie streichen. Jetzt herrscht dort Ratlosigkeit. Denn wenn sie sich streichen lassen kann, gehört sie auf die Liste. Und umgekehrt.

Ich bekam wieder mal Gespött über Dieter Bohlen zu hören. Er sei ein unerträglicher Selbstdarsteller. Wer sagt denn, daß er sich inszeniert? Er lebt eher so, wie es vielen Männern so richtig gut gefallen würde. Die Selbstdarsteller in meinem Umfeld leiden meist darunter, verkannt zu werden. Damit hat Dieter kein Problem. Außerdem hat sein musikalisches Können Hand und Fuß. Daß mir seine Musik nicht zusagt, ist nicht sein Problem. Er muß mich auch nicht heiraten mögen.


Mittwoch, 17. April 2013

Trostlose Geschichte

Ich werde bei Euch sein alle Tage bis ans Ende der Welt“
Das hat ein Mann aus einfachen Verhältnissen versprochen, der Essen verteilt hat, Kranke gepflegt und Menschen getröstet. Gemeint war: Macht es genauso, dann geht es euch besser.
Die Methode hat sich bewährt, man muß nur in die Hände spucken und was tun.

Die Sage vom Kaiser im Berg gibt mehr her: Barbarossa sitzt nach getaner Arbeit im Kyffhäuser, sein Bart ist mit den Jahrhunderten durch den Tisch gewachsen, wenn er gebraucht wird, kommt er zurück, ein gütiger Übervater, der alles richten wird, wenn wir es vermasselt haben.

Doch so einfach wird es uns leider nicht gemacht: Im Berg lauert ein brauner Riese aus Eis, der sich schon mal hat rufen lassen. Zwölf Jahre hat er sich ausgetobt, die Kälte ist bis heute zu spüren. Herrenmenschen hoffen heimlich, wieder auf seinen Schultern sitzen zu dürfen, die schlichteren Gemüter freuen sich, daß es ihren Feinden an den Kragen geht, während sie selbst zertrampelt werden, wenn er herauskommt.

Erlösungsphantasien müssen wachsen können, wenn das Selbstvertrauen schrumpft. Sonst wirkt die Medizin nicht mehr. Wahre Größe zeigt der Blick ins Portemonnaie, auf dem Kontoauszug steht genau zu lesen, bis zu welcher Sprosse auf der großen Leiter der Erlösung man schon geklettert ist. Daß solche Leitern ins Nichts führen, fällt unterwegs nicht auf.

Dienstag, 2. April 2013

Der Schein trügt

Herr Doktor, der Simulant in Zimmer 7 ist gestorben.“
Jetzt übertreibt er aber!“

Als Patient mit Multipler Sklerose bin ich lahm, aber nicht gelähmt. Ich nehme den Rollstuhl, weil Entfernungen über Zimmerabstände hinaus sehr ermüdend sind, wenn ich Stock oder Krücken benutze.
Sonntag Nachmittag, unterwegs mit der Mannschaft vom Schachklub. Wir kommen an, laden den Rolli aus, ich fahre zum Haus, in dem wir spielen sollen. Eine alte Schule, der dortige Schachklub hat seine Räume im ersten Stock. Ich stehe auf, klappe den Rolli zusammen, trage ihn die Treppe hoch, klappe ihn auseinander und fahre weiter.
Komische Blicke.
An der Bushaltestelle. Ich sitze im Rolli, der Bus kommt, ich stehe auf, klappe den Rolli zusammen, steige in den Bus, klappe ihn auseinander und setze mich wieder.
Komische Blicke.
Vielleicht liegt es am Fernsehen, an Sendungen wie „Verstehen Sie Spaß?“, daß ein Behinderter im Rollstuhl nicht so richtig ernst genommen wird, wenn er nicht völlig hilflos ist. Dabei geht es mir wie einem Gewichtheber, der mir größter Anstrengung die 200-Kilo-Hantel stemmt und sie dann gleich wieder fallen läßt. Niemand kommt auf die Idee, er könnte damit den ganzen Tag herumspazieren.

War Jörg gestern Abend hier in der Kneipe?“ „Ja“ „War ich dabei?“

An manchen Tagen humpelt das Gehirn. Die Konzentration reißt immer wieder ab, ob ich einen Satz formuliere, eine Variante beim Schach berechne oder eine Melodie von einer CD nachspiele, spätestens beim dritten Schritt ist der erste wieder weg, der Kopf wie mit Watte ausgestopft, fast alle Menschen und Gegenstände heißen „Dings“. Dabei läuft der tägliche Trott in gewohnten Bahnen, um normal zu erscheinen, braucht es wirklich nicht viel Verstand. Nur die Vergeßlichkeit fällt auf und der Umwelt auf die Nerven.

Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ (Martin Luther)
Es gibt kaum ein Problem, das durch Untätigkeit nicht größer wird.“

Wenn mir alles zuviel wird, schließe ich die Augen und stelle mir vor, ich würde als kleines Gespenst in meinem Schädel wie in einer großen Kuppel schweben. (Mein Sohn meinte dazu, für einen Hohlkopf, den man mir immer wieder mal unterstellt, sei das eine leichte Übung. Er hat recht.) So kann ich stundenlang Musik hören, ganz tief und transparent, am liebsten moderne E-Musik, von Schönberg bis Stockhausen. Oder ich mache ganz dicht, höre auf meine eigene Musik im Kopf und betrachte leuchtende geometrische Gebilde, die durch die Kuppel schweben, letzteres ist durch Zahlenmeditation entstanden.
Tauche ich wieder auf, bin ich unfähig, etwas zu tun, ein Käfer im Bernstein.

Wem soll ich denn meine privaten Alpträume erzählen, wenn nicht dir?“ „Sie sollen privat bleiben, Du weißt gut, daß ich das nicht vertrage.“
(Samuel Beckett/ Warten auf Godot)

Donnerstag, 21. März 2013

Reden-Schirm

Das Reden tut dem Menschen gut, wenn er´s für sich selber tut“ (Wilhelm Busch)
Die Augen kann man verschließen, die Ohren leider nicht. Lese ich einen Satz, der zum Denken anregt oder gar damit droht, die Sofakissen des geistigen Lebens, die eigenen Ansichten, durcheinander zu werfen, kann ich den Blick abwenden und so tun, als sei nichts passiert. Kriegt ja keiner mit. Aber wehe, es sagt einer was Gescheites. Ausgeliefert, zum Nachdenken gezwungen, höchste Gefahr, von etwas überzeugt zu werden, das Konsequenzen haben könnte, da Gedanken immer mal wieder Lust bekommen, in den Alltag einzugreifen. Gewohnheiten können angekratzt werden, auf dem Sofa wird es unbequem. Im schlimmsten Fall wird Verständnis eingefordert.
Kommt ein Wort an unser Ohr, ist es zu spät. Vorher schon muß ihm der Weg verlegt werden.
Es gibt Vokalvirtuosen, die es schaffen, einen Reden-Schirm aufzuspannen. Treffen sie auf Mitmenschen in verfänglichen Situationen, in denen ein Dialog droht, beginnen sie zu erzählen. Mit der Ausdauer eines Föhns beim Haaretrocken weht dem Gegenüber der Wortwind ins Gesicht, wahre Könner geben Öh-Geräusche von sich, die hin und wieder unumgängliche Denkpäuschen lückenlos überbrücken, kein Fremd-Wort kann den Frieden stören. Der Dialogbereite verliert beim höflichen Zuhören den Faden, Argumente verschwinden im Giftschrank der Nachdenklichkeit. Der Reden-Schirm hat seinen Besitzer vor Schrecklichem bewahrt.

Dienstag, 19. März 2013

FASTENZEIT

Neulich im Schwimmbad hab ich mich nicht getraut, vom Dreimeterbrett zu springen.
Dann hab ich mir einen Ruck gegeben: Beim nächsten Besuch hab ich vor dem Fünfmeterbrett gekniffen. Man wächst an den Herausforderungen.
1 Brettmeter = 1 Kugel Schokoladeneis. So wird das Heldentum verständlich;-)

Donnerstag, 24. Januar 2013

Facebookfetzen I

3x hab ich heute im Dunkeln die Katze getreten, ohne daß sie fortgelaufen ist. 3x hab ich dann gemerkt, daß es mein Rucksack war. Wo der sich überall herumtreibt, der soll mir den Buckel runterrutschen;-)   (20. Januar)


Für mich, den Stubenhocker, war das Eisregenwetter traumhaft:
Vom Verkehr war nichts mehr zu bemerken, ich saß an meinem Lieblingsplatz, dem Schreibtisch mit Panoramablick am Schachbrett, und es war still wie im Mittelalter. Von Hesse gibt es eine Erzählung, in der er beschreibt, wie er nachts das Rieseln von losem Putz hinter der Tapete hört... Wir haben uns an eine laute Welt gewöhnt.(21. Januar)

Diese beiden Texte hatte ich direkt in facebook geschrieben. Hier sind sie für alle, die dort nicht Mitglied sind.  

Ordnung muß sein

Realität ist eine Illusion, die durch den Mangel an Alkohol verursacht wird“
(Irisches Sprichwort)
Seit ich fast keinen Alkohol mehr trinke, wird mir von einigen Mitmenschen hin und wieder mangelnder Sinn für Realität vorgeworfen. Sehr merkwürdig, denn glaubt man den Iren, sollte ich doch mit beiden Beinen mitten drin stehen. Wie sie aussehen soll, diese alltägliche Lebensrealität, wird uns von der Werbung näher gebracht: Eine pikobello aufgeräumte und geputzte Designerwohnung mit möglichst großem Flachbildschirm, frei von Büchern und Katzenhaaren. Es gibt Sendungen im Fernsehen, in denen arglose Menschen damit überrascht werden, daß in ihrer Abwesenheit die Wohnung neu gestaltet wird. Sie kommen nach Hause, staunen und freuen sich in die Kamera. Was soll so toll an einer Küche mit garagengroßer Arbeitsplatte und allen erdenklichen Gerätschaften sein? Für mich stünden da bestimmt zwanzig nagelneue Mülleimer, die ich reihum raustragen dürfte. Ich bräuchte erstmal einen Schnaps. Um nun den Ansprüchen meiner Mitmenschen zu genügen, habe ich die Wanderordnung erfunden. In meinem geliebten und vollgestopften Zimmer räume ich eine Ecke auf, in der ich dann auf meinem drahtgeflickten Korbstuhl sitze, die Füße auf dem blauen Wackelhocker, mit freiem und zufriedenem Blick auf das kreative Durcheinander im Rest des Raumes. Hat die Ecke sich gefüllt, ziehe ich um. Nach und nach räume ich so das ganze Zimmer auf, ein Zirkularverfahren wie im Kraftsport, und gerate nie in Gefahr, mich elend, weil stocknüchtern, zu fühlen.

Samstag, 5. Januar 2013

Mit fremden Federn

Den folgenden Text hab ich auf facebook gefunden und für Freunde, die nicht so firm in Englisch sind, so gut es ging übertragen (soll heißen, übersetzt und die Lücken meiner Sprachkenntnisse sinngemäß zu überbrücken versucht, wie früher im Lateinunterricht) Eigentlich will ich mich in meinem Blog nicht mit fremden Federn schmücken, von Bildern einmal abgesehen, aber das Folgende kann ich nicht besser darstellen:

Ein Professor stand vor seiner Philosophieklasse und hatte einige Gegenstände vor sich liegen. Als der Unterricht begann, nahm er einen großen Majonaise-Eimer und füllte ihn mit Golfbällen. Dann fragte er die Klasse, ob der Eimer voll sei. Sie bejahten das.
Dann nahm er eine Tüte Murmeln, schüttete sie in den Eimer, den er dabei leicht bewegte, so daß die Murmeln in die Zwischenräume rollten. Wieder fragte er, ob der Eimer jetzt voll sei, was die Studenten wiederum bejahten.
Als nächstes nahm der Professor eine Schachtel voll Sand, der im Eimer den restlichen Raum ausfüllte. Aufs neue fragte er, ob der Eimer voll sei, was die Studenten wiederum, wenn auch leicht verunsichert, bejahten.
Dann holte der Professor zwei Flaschen Bier unter dem Tisch hervor und schüttete den ganzen Inhalt in den Eimer. Die Studenten lachten.
Als das Lachen ausklang, sagte er: Sie sollen erkennen, der Majonaiseeimer symbolisiert ihr Leben. Die Golfbälle sind die wirklich wichtigen Dinge:
Ihre Familie, ihre Kinder, ihre Freunde, ihre Gesundheit, ihre Lieblingsbeschäftigungen. Wenn alles andere verschwindet und nur das zurückbleibt, wird ihr Leben immer noch voll sein. Die Murmeln sind andere wichtige Dinge, wie ihr Job, ihr Haus, ihr Auto. Der Sand ist alles andere, der Kleinkram.
Wenn sie zuerst den Sand einfüllen, bleibt für die Golfbälle und die Murmeln kein Platz. Im Leben ist es genauso: Wenn sie ihre ganze Zeit mit dem Kleinkram verbringen, bleibt für die wichtigen Dinge keine Zeit. Schenken sie den Dingen, die für ihr Glück wichtig sind, ihre Aufmerksamkeit. Verbringen sie Zeit mit ihren Kindern, ihren Eltern, besuchen sie die Großeltern, gehen sie mit ihrer FreundIn essen, spielen sie ein Spiel, es wird immer genug Zeit bleiben, das Haus zu putzen und den Rasen zu mähen. Kümmern sie sich zuerst um die Golfbälle, setzen sie Prioritäten, der Rest ist nur Sand.
Einer der Studenten meldete sich und fragte, was das Bier repräsentiere.
Der Professor lächelte und sagte: Ich bin froh, daß sie fragen. Es zeigt ihnen, egal wie voll ihr Leben zu sein scheint, es ist immer noch Platz für ein paar Bier mit Freunden.

Donnerstag, 3. Januar 2013

AUSGERECHNET BANANEN

Fünf Affen werden in einen Käfig gesperrt, in dem eine Leiter steht. Oben auf der Leiter liegt eine Banane. Klettert ein Affe hinauf, werden die übrigen vom Experimentator mit kaltem Wasser bespritzt.
Hat sich das ein paarmal wiederholt, wird jeder Affe, der auf die Leiter steigt, von den anderen daran gehindert und gegebenenfalls verprügelt. Dann wird ein Affe ausgetauscht. Der Neue sieht die Banane, macht sich an den Aufstieg und erlebt sein blaues Wunder. Einer nach dem anderen wird ausgewechselt, jedem widerfährt das gleiche, selbst, als kein Affe mehr im Käfig ist, der noch am eigenen Leib einen Wasserguß abgekriegt hat: Die Leiter ist tabu.
Der Experimentator sagt: Wenn man sie fragen könnte, würden sie zur Antwort geben
Das haben wir schon immer so gemacht“.
Was kann man daraus lernen? Menschen stellen mit Tieren den letzten Blödsinn an.
Das haben sie schon immer so gemacht.
Für anja13, sie hat mich auf die Idee gebracht.