Montag, 17. September 2012

SEULB

Merlin, Gandalf, Voldemort, die Hexe im Märchen … , wer ihnen begegnet, lebt gefährlich.
Doch kein Zauber droht so Schreckliches, wie der, der seit Generationen in den Kaschemmen der Jazzmusik die Kunstschaffenden bedroht: Singe niemals einen Blues rückwärts! Sofort füllt sich dein Portemonnaie, deine Frau kommt zurück und du bist schlagartig nüchtern. Der arglose Tageslichtbewohner fragt sich, was daran so schlimm sei, aber die Nacht, die nicht allein zum schlafen da ist, hat ihre eigenen Gesetze. Kommt ein Musikant in die Jazzkneipe und es stellt sich heraus, daß er Bargeld bei sich trägt, kann er sich vor Freunden nicht retten. Der Ansturm wird vom Kneipenwirt beendet, der daran erinnert, daß noch Rechnungen aus den letzten sechs Monaten offenstehen. Das Geld reicht nicht ganz, die Freunde gehen leer aus, der Abend will nicht recht in Schwung kommen.
Sitzt einer auf der Bühne und singt, daß seine Frau ihn verlassen hat, kann er sich als Künstler anerkannt und ob seines traurigen Schicksals stellvertretend für alle einsamen Herzen bemitleidet fühlen. Sitzt die Frau zuhause, wartet, daß der Herr zum Abendessen kommt, wenigstens einen Teil der Gage abliefert und dann auf der Couch schläft, weil er stinkt, will das keiner hören, das Publikum will sich im Nachtklub amüsieren, und nicht an Dinge denken , die so schrecklich sind wie die Steuererklärung. „Füllest wieder Berg und Tal still mit Nebelglanz, lösest endlich auch einmal meine Seele ganz.“ So meiert es bieder in den Mittelgebirgen, in der Musikkneipe wie im Mississippidelta wabert der Nebel aus der Schnapsflasche direkt ins Gehirn. Und allein dieser vernebelte Kopf macht das Leben als Nachtklubmusikant erträglich, bisweilen sogar erstrebenswert. Deshalb: Singe niemals einen Blues rückwärts!

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