„Realität
ist eine Illusion, die durch den Mangel an Alkohol verursacht wird“
(Irisches
Sprichwort)
Seit
ich fast keinen Alkohol mehr trinke, wird mir von einigen Mitmenschen
hin und wieder mangelnder Sinn für Realität vorgeworfen. Sehr
merkwürdig, denn glaubt man den Iren, sollte ich doch mit beiden
Beinen mitten drin stehen. Wie sie aussehen soll, diese alltägliche
Lebensrealität, wird uns von der Werbung näher gebracht: Eine
pikobello aufgeräumte und geputzte Designerwohnung mit möglichst
großem Flachbildschirm, frei von Büchern und Katzenhaaren. Es gibt
Sendungen im Fernsehen, in denen arglose Menschen damit überrascht
werden, daß in ihrer Abwesenheit die Wohnung neu gestaltet wird. Sie
kommen nach Hause, staunen und freuen sich in die Kamera. Was soll so
toll an einer Küche mit garagengroßer Arbeitsplatte und allen
erdenklichen Gerätschaften sein? Für mich stünden da bestimmt
zwanzig nagelneue Mülleimer, die ich reihum raustragen dürfte. Ich
bräuchte erstmal einen Schnaps. Um nun den Ansprüchen meiner
Mitmenschen zu genügen, habe ich die Wanderordnung erfunden. In
meinem geliebten und vollgestopften Zimmer räume ich eine Ecke auf,
in der ich dann auf meinem drahtgeflickten Korbstuhl sitze, die Füße
auf dem blauen Wackelhocker, mit freiem und zufriedenem Blick auf
das kreative Durcheinander im Rest des Raumes. Hat die Ecke sich
gefüllt, ziehe ich um. Nach und nach räume ich so das ganze Zimmer
auf, ein Zirkularverfahren wie im Kraftsport, und gerate nie in
Gefahr, mich elend, weil stocknüchtern, zu fühlen.
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