„Liebe Zielgruppe
zuhause an den Braun´schen Röhren“ begrüßte ein Moderator am
Ende des letzten Jahrtausends, meines Wissens hieß er Moor, sein
Publikum. Die Braun´sche Röhre ist passé, der Flachbildschirm hat
sich durchgesetzt, das Gerät hat sich äußerlich seinem Inhalt
angeglichen, für die verbliebenen Beiträge mit Tiefgang
reicht als Symbol die
Steckerleiste unterm Tisch. Bezeichnet man sein Publikum als
„Freunde“, „Fans“ oder „liebe Leser“, findet eine
Überrumpelung statt: Es soll doch jedermann offenstehen, ob er mich
als Freund sehen will, meine Texte gut findet, oder überhaupt Lust
hat, zu lesen, was ungefragt aus der Steckdose kommt. Zur
Verdeutlichung ein Beispiel aus meinen Jahren als
Unterhaltungsmusikant: Bierzelt in bester Stimmung, die Kapelle macht
eine Pause, in einer vermeintlich stillen Ecke verzehre ich mit
Appetit eine Bratwurst. Freudestrahlend kommt ein Mensch mit zehn
Glas Bier auf mich zu, neun davon intus, eines überschwänglich
überschwappend schwenkend. Die Prüfung hat begonnen, ich schalte um
von innerer Emigration auf duldsame Freundlichkeit, eingewickelt in
einen sehr langen Geduldsfaden und bedauere zutiefst die Abwesenheit
einer gütigen Schicksalsfee in der Welt, die es gut mit mir meint.
Solch ein Erlebnis kann intellektuell genauso zermürbend sein,
wenn es dabei auch weniger stinkt.
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