Samstag, 4. August 2012

ANGEMESSENE ANREDE


Liebe Zielgruppe zuhause an den Braun´schen Röhren“ begrüßte ein Moderator am Ende des letzten Jahrtausends, meines Wissens hieß er Moor, sein Publikum. Die Braun´sche Röhre ist passé, der Flachbildschirm hat sich durchgesetzt, das Gerät hat sich äußerlich seinem Inhalt angeglichen, für die verbliebenen Beiträge mit Tiefgang
reicht als Symbol die Steckerleiste unterm Tisch. Bezeichnet man sein Publikum als „Freunde“, „Fans“ oder „liebe Leser“, findet eine Überrumpelung statt: Es soll doch jedermann offenstehen, ob er mich als Freund sehen will, meine Texte gut findet, oder überhaupt Lust hat, zu lesen, was ungefragt aus der Steckdose kommt. Zur Verdeutlichung ein Beispiel aus meinen Jahren als Unterhaltungsmusikant: Bierzelt in bester Stimmung, die Kapelle macht eine Pause, in einer vermeintlich stillen Ecke verzehre ich mit Appetit eine Bratwurst. Freudestrahlend kommt ein Mensch mit zehn Glas Bier auf mich zu, neun davon intus, eines überschwänglich überschwappend schwenkend. Die Prüfung hat begonnen, ich schalte um von innerer Emigration auf duldsame Freundlichkeit, eingewickelt in einen sehr langen Geduldsfaden und bedauere zutiefst die Abwesenheit einer gütigen Schicksalsfee in der Welt, die es gut mit mir meint. Solch ein Erlebnis kann intellektuell genauso zermürbend sein, wenn es dabei auch weniger stinkt.

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