Selbst
ein Nervtöter wie meine MS-Erkrankung hat skurrile Seiten, die bei mir für
Heiterkeit sorgen und so erträglich bleiben. Eines der
ältesten Symptome ist eine Lähmung von linker Hand und Arm, die
sich unvermittelt einstellt und mich zum einarmigen
Banditen macht. Nach einer Weile verschwindet sie wieder, es bleibt
höchstens mal ein leichtes Kribbeln in den Fingern. Mit dem Saxophon
auf der Bühne habe ich es überstanden, aber neulich beim
Schachabend …
Ich
stand vom Brett auf und ging zur Toilette, als die Hand in den Streik
trat. In der Kabine versuchte ich, mich anzuziehen, vergebens, dem
Knopf an der Jeans war einarmig nicht beizukommen. Ich saß auf dem
Deckel, wartete, hörte andere Männer vor der Kabinentür und dachte,
ein Kneipenklo nach 22.00Uhr ist ein ungeeigneter Ort, um jemanden um
Hilfe beim Hosenknopf zu bitten. Das Problem löste sich irgendwann
von selbst, ich kehrte in die Zivilisation zurück.
In
meinem Leben gibt es zwei Bereiche, in denen der Frauenanteil
deutlich unter zehn Prozent liegt: Die Jazzmusik und das Schach.
Glückspilz, der ich bin, habe ich faszinierende weibliche Wesen
kennengelernt, die Charakter, Kopf und Aussehen so miteinander
verbinden, daß ich keinen Schnaps mehr brauche, um das Leben zu
genießen.
Gemeinsam
ist ihnen ein Hauch von Melancholie in den Augen, der ihren Abstand von
der Oberflächlichkeit ausdrückt. Eine davon, ich nenne sie gern
„die weiße Dame“, war bei diesem Schachabend dabei. Ich
erzählte, was ich erlebt hatte, sie meinte nur: Du hast doch dein
Handy dabei, wenn das nochmal vorkommt, rufst du an und ich hole dich
raus. Und wenn dann einer dazukommt und fragt: „Was macht ihr denn
hier?“ Dann sagen wir:
„Wir
sind zum Schachspielen verabredet.“ Der Moment der Verblüffung
sollte ausreichen, um in Ruhe das Weite zu suchen.
Für anja13
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