Samstag, 7. Januar 2012

DORNRÖSCHEN WAR EIN SCHÖNES KIND

Silvester 1999 stand ich in einem Sporthotel in Garmisch-
Partenkirchen zum letzten Mal als Unterhaltungsmusikant auf der
Bühne, um ein neues Jahr mit lautem Tuten zu begrüßen. Seither
verbringe ich den Jahreswechsel in meiner Wohnung und genieße es,
in Ruhe gelassen zu werden. Dank meiner gesundheitlichen Situation
nimmt es mir auch niemand übel, wenn ich Einladungen zu Partys
ausschlage, es macht keinen Sinn, bei Freunden todmüde auf der
Coach zu liegen und jedem ein schlechtes Gewissen anzuhängen, der
statt Mitleid Spaß am Feiern empfindet, während ich daheim einen
interessanten Abend mit den nötigen Ruhepausen verbringen kann.
Frau und Kind gingen zu Freunden, die Katzen hatten mich für sich.
Ich zerschnitt einen Berg Pappkartons fürs Altpapier, machte
„Feldenkrais“-Übungen unterm Tannenbaum, spielte Klavier zu der
CD „Buena Vista Social Club“ und lag zwischendurch mit den zwei
Katzen auf dem Sofa. Könnte ich Harfe spielen, wäre ich im Himmel
gewesen, mit dem Klavier reicht es nur fürs Paradies. Gegen
Mitternacht stellte ich in der Küche den Wasserkocher an und ging
zur Toilette. Schon Ernst Jandl hat in seinem Gedicht „Scheissender
Mann“ die Monotonie des immer gleichen Vorgangs beschworen, der
das Sein von der Zeit löst. Buddha erlebte die Erleuchtung im
Sitzen. Von vornehmer Erziehung, hat er einen Teil der Wahrheit
verschwiegen. Als ich in die Küche zurück kam, war ein Jahr ins Land
gegangen. Ich war heiter und gelassen und dachte: Dornröschen hat
was Tolles erlebt.

1 Kommentar:

  1. Hallo Tom, willkommen in der Bloggerwelt! Einen schönen ersten Eintrag hast du da geschrieben, hab dein Blog schon abonniert!

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